Galgenfrist für alte Kontonummern

SEPA: Endgültige Umstellung auf internationales Zahlungssystem um sechs Monate verschoben.

Noch bis zum 1. August 2014 können Unternehmen und Vereine die alten Kontonummern und Bankleitzahlen nutzen. Für Verbraucher gilt eine Frist bis Februar 2016.

Brüssel Um ein Zahlungschaos in Europa zu vermeiden, will die EU-Kommission die Übergangsfrist für das neue Zahlungssystem Sepa um sechs Monate verlängern. Geldtransfers von Unternehmen und Vereinen im bisherigen Format sind damit noch bis zum 1. August möglich, wie die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mitteilte. Für Verbraucher gilt ohnehin eine längere Frist bis 1. Februar 2016. Daran ändert sich nichts.

Mit dem Vorschlag will die EU-Behörde verhindern, dass vom 1. Februar an Zahlungen blockiert werden könnten, die nicht das neue europäische Sepa-Format mit den internationalen IBAN-Kontonummern haben. Unternehmen und Vereine, die sich nicht rechtzeitig vorbereitet haben, hätten ihre Zahlungen – etwa an Lieferanten oder Mitarbeiter – nicht mehr abwickeln können.

„Wir bedauern das“, sagte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Eine weitere Verlängerung über den 1. August hinaus werde es nicht geben. „Einige Staaten sind (bei der Umstellung) weiter fortgeschritten als andere“, so die Sprecherin. Die Kommission wolle mit dem Schritt Verbraucher und mittelständische Unternehmen schützen.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi drängte darauf, die Umstellung schnell abzuschließen. „Wir glauben, dass vor allem die Verbraucher davon profitieren würden.“ Immer mehr Betroffene in ganz Europa hätten ihre Zahlungssysteme zuletzt umgestellt.

Eine Erklärgrafik zum neuen Sepa-Überweisungsträger, zum Vergrößern bitte anklicken:


Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte der „Wirtschaftswoche“, durch eine etwaige Verlängerung der Umstellungsfrist dürften die Anstrengungen zur schnellen Umstellung nicht nachlassen. „Die Bundesregierung hat sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass Deutschland die Sepa-Umstellung rechtzeitig zum 1. Februar schafft und wird dies auch weiter tun“, sagte ein Sprecher.

Nach Einschätzung von EU-Kreisen hinkte Deutschland bei Sepa-Überweisungen im vergangenen Jahr im europäischen Vergleich deutlich hinterher. Im dritten Quartal kam Deutschland demnach auf einen Anteil von 13,93 Prozent, während Italien 22,88 Prozent erreichte und Frankreich sogar 56,98 Prozent.

Die Bundesbank hatte bereits vor Verzögerungen bei Sepa gewarnt. „Trotzdem waren wir zuversichtlich, dass das gesteckte Ziel erreicht werden kann“, sagte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele am Donnerstag. Der Vorschlag dürfe nicht dazu führen, dass die Marktteilnehmer in ihren Vorbereitungen verunsichert würden.

Sepa steht für „Single Euro Payments Area“ – einen einheitlichen Zahlungsraum in Euro. Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen werden standardisiert abgewickelt – egal ob sie ins In- oder Ausland gehen. Auslandsüberweisungen sollen künftig schneller ankommen. Laut der Kommission soll am offiziellen Starttermin 1. Februar trotz der Verlängerung formal festgehalten werden. Verbraucher können die gewohnten Kontonummern und Bankleitzahlen noch bis 1. Februar 2016 verwenden.

Nach Angaben der Kommission gab es keinen Druck aus den europäischen Hauptstädten für die Verlängerung. Kommissar Barnier sagte: „Ich habe mehrfach gewarnt, dass die Umstellung zu langsam läuft, und ich rufe die Mitgliedstaaten erneut auf, ihre Verantwortung zu übernehmen und Anstrengungen zu verstärken, auf Sepa umzustellen(...)“.

Der deutsche Einzelhandel begrüßte den Vorschlag. „Es war absehbar, dass die Sepa-Einführung bis zum 1. Februar 2014 nicht zu schaffen ist“, erklärte der Handelsverband HDE. Die Unternehmen könnten beim Umstieg auf Sepa nicht auf erprobte Zahlungsprozesse und verlässliche Software zurückgreifen.

Die Deutsche Kreditwirtschaft reagierte überrascht: „Die Fristverlängerung wäre nicht notwendig gewesen, bringt aber Erleichterungen für Unternehmen und Vereine, bei denen es mit der Umstellung auf die neuen Sepa-Verfahren zum 1. Februar 2014 möglicherweise knapp geworden wäre“, heißt es in einer Mitteilung. Der Bundesverband der Deutschen Industrie bedauerte das Vorhaben. „Wer einmal verschiebt, der kann das auch ein zweites Mal machen“, erklärte Finanzmarktexperte Reinhard Kudiß.

Jede zehnte Lastschrift mit Sepa

Frankfurt/Main /DPA - Bundesbank und Bankenverbände haben es kommen sehen: Unternehmen und Vereine haben sich zu zögerlich auf das neue europäische Zahlungssystem Sepa vorbereitet. Jetzt zieht die EU die Notbremse: Die bisherigen Überweisungswege sollen sechs Monate länger funktionieren.

Unternehmen und Vereine, die sich nicht rechtzeitig vorbereitet haben, hätten ihre Zahlungen – etwa an Lieferanten – nicht mehr abwickeln können. Damit hätten Liquiditätsengpässe gedroht. Nach einer Ende November veröffentlichten Umfrage der Fachhochschule des Mittelstands im Auftrag der Commerzbank können Mittelständler die Engpässe im Schnitt 37 Tage lang überbrücken – 14 Prozent sind aber schon nach fünf Tagen nicht mehr zahlungsfähig, weitere 19 Prozent nach 15 Tagen.

Nach Angaben der Bundesbank erfolgte im November erst knapp jede dritte Überweisung im neuen Sepa-Datenformat. Noch schlechter sah es bei den Lastschriften aus, bei denen das deutsche Volumen fast die Hälfte des kompletten Euroraums ausmacht. Von werktäglich 35 Millionen Lastschriften im Wert von 52 Milliarden Euro wurden im November demnach nur zehn Prozent mit Sepa abgewickelt.

„Im ganzen Euroraum haben Betroffene ihre Zahlungssysteme erfolgreich umgestellt“, erklärte die Europäische Zentralbank am Donnerstag. Die jüngsten Informationen der nationalen Behörden zeigten, dass die Umstellung in hoher und steigender Geschwindigkeit erfolge. Allerdings sind einige Staaten bei der Umstellung weiter fortgeschritten als andere. Vor allem Finnland, Luxemburg, Slowenien und die Slowakei waren dem zweiten Sepa-Bericht der EZB vom Herbst zufolge gut mit der Umstellung vorangekommen.


Hilfswerke fürchten Spendeneinbruch


Hamburg /EPD - Die Umstellung der Kontodaten auf international einheitliche Standards könnte für Hilfsorganisationen gravierende Folgen haben. „Wir rechnen zunächst mit Einbrüchen beim Spendenaufkommen zwischen 20 und 30 Prozent“, sagte Daniela Felser, Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats. Viele Hilfswerke haben bislang einfach zu merkende Kontonummern, die bei Katastrophen wie dem Taifun auf den Philippinen im Fernsehen eingeblendet wurden. Durch die Umstellung auf Sepa sind auch telefonische Spenden nicht mehr ohne weiteres möglich. Die neuen Richtlinien zwingen zu einem Mandat, das schriftlich und mit einer Unterschrift im Original versehen sein muss.