Gefährliche Gelassenheit

Am 1. Februar wird der Zahlungsverkehr in Europa auf ein einheitliches System umgestellt. Banken warnen Vereine und Firmen seit Monaten, sich rechtzeitig darauf einzustellen. Wer den Stichtag verpennt, dem droht schlimmstenfalls die Zahlungsunfähigkeit. Doch auch in Ostfriesland ist die Botschaft längst nicht bei allen angekommen. >>>Lesen Sie hier weiter<<<

Die neue Nummer
von Jochen Brandt

Ostfriesland - Harm Bleeker weiß schon jetzt ganz genau, was er im nächsten Februar auf keinen Fall machen wird: Urlaub. Im Gegenteil, der Bereichsleiter bei der Raiffeisen-Volksbank mit Sitz in Aurich stellt sich sogar auf ziemlich stressige Wochen ein. Denn die EU führt Anfang 2014 endgültig einheitliche Regeln für den Zahlungsverkehr ein. SEPA, die „Single Euro Payments Area“, soll Wirklichkeit werden – und das macht Harm Bleeker ein kleines bisschen nervös.


Denn während sich für Privatkunden kaum etwas ändert (siehe unten) und Unternehmen zumindest allmählich den Ernst der Lage erkennen, herrscht bei vielen Vereinen in Ostfriesland offenbar noch immer eine bedenkliche SEPA-Gelassenheit. Dabei können sie echte Probleme bekommen, wenn sie in Sachen Systemumstellung schludern.

„Für die Zeit nach dem 1.  Februar 2014 gibt es keinen Plan B“, sagt Bleekers Chef, Bankvorstand André Kasten. „Wenn sich Vereine und Firmen bis dahin nicht auf das neue System eingestellt haben, drohen ihnen im Zweifel Zahlungsunfähigkeit oder Zusatzkosten, um falsche Abrechnungen zu korrigieren.“

Mit zunehmendem Elan machen die Banken in Ostfriesland ihre Kunden deshalb seit Monaten auf den SEPA-Stichtag aufmerksam. Allein die Raiffeisen-Volksbank (RVB) hatte Vertreter von mehr als 200  Firmen zu „SEPA-Frühstücken“ eingeladen. In lockerer Atmosphäre wurden die Leute mit den Regeln und Fallstricken des neuen Zahlungsverkehrs vertraut gemacht.

„Wir hatten auch mehr als 350 Vereinsvertreter in Schulungen“, sagt Bleeker. Doch bei der RVB seien insgesamt eben gut 1000 Vereine Kunde, mehr als ein Drittel von ihnen habe man bisher also nicht erreicht. Und von denen, die sich informieren ließen, sind bislang nur etwa 200 bereit für das neue System. Der Druck wächst.

Fest steht: Während es für Verbraucher im Zahlungsverkehr noch eine Übergangsfrist bis 2016 gibt, sind Überweisungen und Lastschriften für Firmen und Vereine ab Februar nur noch zu SEPA-Bedingungen möglich.

Das bedeutet unter anderem, dass sie sich fürs künftige Lastschriftverfahren sogenannte Gläubiger-Identifikationsnummern bei der Bundesbank besorgen müssen. Im Grunde sei das keine große Sache, sagen Banker wie Bleeker. Doch bislang sind Firmen und Vereine noch sehr zögerlich.

Das belegen Zahlen der Bundesbank. Rund vier Millionen Vereine und Unternehmen gebe es in Deutschland, heißt es in Frankfurt. Doch bislang habe man nur 490  000 Nummern vergeben. Bleiben 3,5 Millionen Einrichtungen, die bislang nicht in die Hufe gekommen sind. „Noch geht die Bearbeitung bei der Bundesbank schnell“, sagt Bleeker. „Wenn irgendwann alle gleichzeitig eine Gläubiger-ID bestellen, dürfte das aber zu Verzögerungen führen.“

Gemeinsam warnten das Finanzministerium in Berlin, der Verbraucherzentrale-Bundesverband, die Deutsche Kreditwirtschaft und die Bundesbank in dieser Woche (18. Juni) noch einmal eindringlich davor, den Handlungsdruck in Sachen SEPA weiter zu ignorieren. Auch Ludger Gooßens vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband beschreibt die Gefahr, dass im Februar Vereinsbeiträge nicht eingezogen und Gehälter nicht ausgezahlt werden könnten.

Ein mittelständischer Unternehmer aus Ostfriesland – er will ungenannt bleiben – seufzt. „Jahrelang hat man immer wieder etwas über SEPA gehört, jahrelang war es weit weg.“ Jahrelang habe er das ungeliebte Thema deshalb vor sich her geschoben – und das nicht nur, weil es nicht sonderlich dringlich schien. Denn das neue Zahlungssystem stößt bei vielen kleineren und mittleren Betrieben auch in Ostfriesland offenbar grundsätzlich auf wenig Akzeptanz.

Man kann es verstehen. Für viele Firmen spielt der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr keine oder nur eine kleine Rolle. Sie haben nichts vom europäischen Einheitssystem – außer einen gehörigen Zusatzaufwand.

Briefpapier muss mit den neuen Bankverbindungen bedruckt, Mitarbeiter müssen geschult, Abrechnungssysteme überprüft und im Zweifel nachgebessert werden. Hinzu kommt, dass Firmen und Vereine, die bisher aufs Lastschriftverfahren gesetzt haben, sich jetzt von allen Kunden noch einmal eine schriftliche Einverständniserklärung holen müssen.

Das kostet Zeit und Energie – und schürt bei dem einen oder anderen die Sorge, schlafende Hunde zu wecken: Wer Altkunden auf regelmäßige Abbuchungen aufmerksam macht, läuft Gefahr, plötzlich über Konditionen verhandeln zu müssen. „Das muss ich nicht unbedingt haben“, sagt der Unternehmer.

Doch es führt kein Weg daran vorbei. Genau wie an den neuen Fristen, in denen Firmen ihre Kunden auf Abbuchungen aufmerksam machen müssen und in denen die Kunden Widerspruch einlegen können. „Viele Unternehmen werden ihr Liquiditätsmanagement umstellen müssen“, sagt RVB-Chef Kasten.

Teilweise, sagt sein Kollege Bleeker, seien Vertreter von Vereinen und Firmen „ziemlich geschockt“ aus den Informationsveranstaltungen gegangen. Vielen sei nicht bewusst gewesen, mit wie viel Aufwand die Umstellung verbunden sei – und was es zur Folge haben könnte, wenn man sich nicht rechtzeitig kümmert. „Seit ein paar Wochen kann man eine gewisse Torschlusspanik spüren“, sagt Bleeker. Auf stressige Wochen im Februar stellt er sich dennoch ein.

Für private Bankkunden ändert sich bei der Umstellung aufs einheitliche SEPA-Zahlungssystem nicht viel: Wo man bisher die Kontonummer und die Bankleitzahl kennen musste, kommt künftig die IBAN (siehe Grafik) ins Spiel. Die IBAN – die „International Bank Account Number“  – ist die neue Kontonummer. Ihre Länge variiert von Land zu Land, in Deutschland hat sie 22  Stellen. In Belgien sind es 16, auf Malta 31.

Die IBAN setzt sich aus einem Ländercode, einer Prüfziffer, der vertrauten Bankleitzahl und der Kontonummer zusammen. Der Prüfziffer kommt eine besondere Funktion zu. Sie wird aus der Bankleitzahl und der Kontonummer errechnet. Sollte man sich bei einer Überweisung vertippen, geht die Rechnung nicht mehr auf.

Die neue Nummer haben viele Bankkunden schon zigfach zu Hause – denn seit dem Jahr 2003 drucken Banken und Sparkassen die IBAN auf den Kontoauszügen aus. Auch auf den EC-Karten vieler Institute sind sie bereits vermerkt.

Die lange IBAN ist ein weiterer Schritt bei der Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs in Europa. Im Jahr 1999 kam der Euro als Buchgeld, zwei Jahre später folgten dann die Scheine und Münzen.

Nun soll mit der Single Euro Payments Area (SEPA) auch der bargeldlose Zahlungsverkehr in der EU einheitlich werden. Neben den 27 Mitgliedsstaaten machen Island, Liechtenstein, Norwegen, Monaco und die Schweiz mit. Für Unternehmen, die über Ländergrenzen hinweg arbeiten, ergeben sich daraus Vorteile.