Heiko Schmelzle aus Norden liebt den Sieg und verachtet auf dem Weg dorthin keinen Punkt – Politische Laufbahn mit Langzeitperspektive.
Aurich. Heiko Schmelzle ist ein Shootingstar: Außerhalb seiner Heimatstadt Norden kannte ihn Anfang August kaum jemand, und heute kann er nicht mehr unerkannt durch Aurich gehen.
Heiko Schmelzles politische Botschaft ist Freude am Leben. Die bringt der Direktkandidat der Christdemokraten auch beim Holzhacken in seinem Garten rüber. Foto: Banik
Erreicht hat er diesen Sprung ins öffentliche Bewusstsein durch seine Entscheidung, zwar weniger, dafür aber ganz große Plakate mit seinem Konterfei aufzustellen. Die Überlebensgröße allein macht es aber nicht. Der CDU-Bundestagskandidat strahlt von den Plakaten dem Wähler entgegen. Schon in normalen Zeiten wäre das auffällig, doch in diesem missmutigen, grauen, zähen, schwunglosen, unironischen Wahlkampf macht ihn das zum Hingucker.
Die Größe dieses Erfolges kann man an den giftigen Kommentaren seiner Neider erkennen: „So haben wir uns in der Ära Kohl ein Mitglied der Jungen Union vorgestellt.“ „Jetzt hat Ostfriesland das Ideal eines Schwiegersohnes gefunden.“ „Er zeigt sich auf den Plakaten im Wintermantel, hat sich also schon angesichts seiner sicheren Wahlniederlage warm angezogen.“ – Solche Reden können den Aufmerksamkeitsgewinn aber nicht unterminieren. Die schwarze Jacke auf den Wahlplakaten ist übrigens ein Zitat: Wolfgang Ontijd gewann in schwarzer Jacke.
Bitte klicken Sie das Bild an, um das ON-Video mit Heiko Schmelzle anzusehen! Der CDU-Bundestagskandidat hofft, dass ihn der gelungene Start seiner überregionalen politischen Karriere bis nach Berlin katapultiert – wenn nicht schon bei dieser, dann aber bei der nächsten Bundestagswahl. Sich hinzustellen und zu sagen: Im Wahlkreis Aurich/Emden ist für die CDU nichts zu gewinnen, das sei seine Sache nicht. Auf den dezenten Hinweis, er habe wohl die Wahlergebnisse der vergangenen Jahrzehnte verdrängt, rechnet Schmelzle nüchtern vor, was geschehen muss, damit er mehr Stimmen als seine Mitbewerber um das Direktmandat bekommt. Die Rechnung geht so:
1. Die CDU ist sowohl wegen Angela Merkel als auch wegen der hohen Mobilisierung im Wahlkreis gut drauf und bekommt mehr Stimmen als bei den vorherigen Wahlen.
2. Gerade in Emden wird die Linke stark. Da SPD und Linke tief zerstritten sind, wird die Mehrzahl derjenigen, die der Linken die Zweitstimme geben, ihr erstes Kreuz nicht hinter dem Namen des sozialdemokratischen Direktkandidaten machen. Selbst wenn die CDU in Emden nicht wirklich viel Boden gut macht, fehlen diese Stimmen dem aussichtsreichen SPD-Kandidaten.
3. Die Wähler von FDP- und Freien Wählern sind politisch nicht so festgelegt wie die Wähler der Linken. Sie erkennen: Wir schaden unserer Partei überhaupt nicht, wenn wir unsere Erststimme Heiko Schmelzle geben, der viel mehr Chancen hat.
4. Außerdem sagen sich viele SPD-Wähler: Merkel wird auf jeden Fall wieder Bundeskanzlerin. Also kann es nur gut sein, wenn der Direktkandidat aus Ostfriesland der Fraktion der Kanzlerin angehört. Dann gibt es endlich wieder den direkten Draht, von dem die Region sehr profitieren kann. Also wählen wir Schmelzle.
Aber im Geheimen weiß der CDU-Mann natürlich: Seine Rechnung geht am Wahlsonntag nur auf, wenn sich die politischen Rahmenbedingung in Ostfriesland grundstürzend ändern. Ohne einen aussichtsreichen Listenplatz wird es mit dem Bundestagsmandat auch bei der nächsten Wahl nichts. Es gibt in Deutschland kaum einen Wahlkreis, in dem die SPD sicherer im Sattel sitzt; das ändert sich mit wachsendem Wohlstand in der Region, wenn überhaupt, dann nur langsam.
Deshalb spielt Schmelzle, so sagt er, zwar auf Sieg, doch das im vollen Bewusstsein, dass es jetzt auch um ein möglichst gutes Abschneiden geht. Diese Haltung, den Sieg zu wollen und dabei im Hinterkopf zu haben, eine unabwendbare Niederlage so klein wie möglich zu halten, ist ihm in seiner Zeit als Handballer in Fleisch und Blut übergegangen. Als Handballer – Schmelzle stand im Tor – hat er gelernt, dass eine gut trainierte Mannschaft immer auch ans Torverhältnis denkt. Deshalb sei seine Mannschaft aufgestiegen. Wegen des Torverhältnisses sei man nicht Vierter, sondern Dritter geworden, habe aber den so sehr gewollten Aufstieg verpasst. Doch dann sei eine der beiden ersten Mannschaften zurückgetreten – sein Team sei hochgerutscht. Auf die Politik übertragen bedeutet das: Wenn der CDU-Kandidat jetzt richtig gut, also erkennbar besser als die CDU im Bund abschneidet, dann kommt die Partei bei der nächsten Wahl nicht darum herum, ihm einen aussichtsreichen Listenplatz zu geben.
Doch bevor Schmelze den Zusammenhang zwischen Torverhältnis und politischer Karriere erklärt, sagt er und strahlt dabei so wie vom Wahlplakat: „Ich liebe es zu siegen.“ Voraussetzung dafür, dass er das auch noch in vier Jahren könne, sei natürlich, dass ihn seine Partei hier in Ostfriesland weiterhin wolle. Dafür will er in den kommenden Jahren einiges tun. Er sitzt heute schon im Norder Rat und will bei der nächsten Kommunalwahl in den Kreistag. Er ist Vorsitzender des großen Stadtverbandes Norden und stellvertretender Kreisvorsitzender. Ja, sagt er, zusammen mit anderen stehe er für die Verjüngung der Partei. Das Gros der Mitglieder komme heute noch aus der späten Albrecht-Zeit. Die Partei werde jetzt sehr viel daran setzen, jüngere Menschen, jüngere Familien für christdemokratische Politik zu gewinnen. Die CDU in Wiesmoor macht das erfolgreich vor. Dabei gehe es nicht zuletzt um Unterhaltung. „Wir können auch feiern“, sagt Schmelzle – und merkt plötzlich, zu engagiert von der Verjüngung gesprochen zu haben. Die Mischung müsse stimmen, holt er sich wieder ein. Natürlich brauche die Partei die Erfahrenen.
Vermutlich nimmt Heiko Schmelzle bei der Beschreibung der zu gewinnenden CDU-Wähler nicht zuletzt sich selbst als Maß: Beide Ehepartner gut ausgebildet und berufstätig, mehrere Kinder, ausgeprägter Familiensinn, Traum vom Eigenheim verwirklicht, pragmatisch-liberal. Der Bankbetriebswirt ist mit einer Lehrerin verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter und lebt in einem schmucken, maritim eingerichteten, verklinkerten Eigenheim in einer Wohnsiedlung im Norden Nordens. Der Sohn besucht bald die Grundschule und die Tochter wechselt zur KGS Hage. Ja sagt er, seine Tochter habe eine Gymnasialempfehlung, doch seine Frau und er seien zu dem Schluss gekommen, eine Gesamtschule sei für sie die bessere Schule. Er trauere sogar der Orientierungsstufe nach. Auf den Vorwurf, das dürfe ein CDU-Kandidat doch alles gar nicht sagen, antwortet er entspannt: „Das sehen meine Frau und ich unideologisch.“
Und hier noch der Original-Artikel aus den Ostfriesischen Nachrichten: